«Der Bund», 4. 5. 2018

Mit Reisebegleiter sprachkundig speisen

Bald könnte es vorbei sein mit Herrlichkeiten wie «Lende des nebelhaften Kalbs» oder «Grosse Bohrungen des Essigs». Denn diese Fundstücke aus der Rubrik «Schoenstes Reisfuhrer» in der «SonntagsZeitung» sind spanischen Restaurants zu verdanken, die offensichtlich nicht nur hausgemachte Speisen anbieten, sondern auch ebensolche Übersetzungen. Sobald die Wirtsleute aber entdecken, dass es jetzt «den Duboux» im Internet gibt, können sie ihre fremdsprachigen Speisekarten professionell aufmöbeln.

Der Duboux – auf Anführungszeichen können wir wie beim Duden verzichten – ist ein renommiertes Wörterbuch für Fachausdrücke aus Gastronomie, Nahrungsmittelindustrie, Hotellerie und Touristik, und er war bisher nur in vielerlei gedruckten Ausführungen erschienen (www.duboux.com). Den Wortschatz hat das Ehepaar Marianne und Jean-Pierre Duboux zusammengetragen, das in Thun einen Lektoratsdienst für Texte aus den genannten Branchen betreibt. Jetzt stellen die Duboux ihr Lebenswerk ins Internet und leisten damit nicht nur Fachkreisen, sondern auch der interessierten Öffentlichkeit einen gewaltigen Dienst. Zugleich suchen sie Nachfolger, welche die Redaktionsarbeit übernehmen.

Das Online-Wörterbuch (www.duboux.net) umfasst Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch, Niederländisch, Portugiesisch, Spanisch, Katalanisch sowie – für botanische und zoologische Bezeichnungen – Latein. Suchwörter kann man in jeweils einer dieser Sprachen eingeben; wichtig ist es, dabei Prozentzeichen zu verwenden, wie in der eingebauten Hilfe beschrieben. Für die Ausgabe der Übersetzungen lassen sich mehrere Sprachen gleichzeitig wählen.

Das Wörterbuch enthält auch ganze Phrasen. Damit hätte ein spanisches Hotel «Schoenstes Reisfuhrer» nicht so bereichert: «Nutzung von Haushaltgeräten andere elektrische Geräte als die von Kapitallebensversicherungen und Bügeln geschieht durch Dienstmädchen!» Mit dem Duboux liesse sich etwas Sinnvolleres aufsetzen und fürs Bügeln so ergänzen: «Bügeleisen und Bügelbrett verlangen Sie bitte bei der Hausdame/Hauswirtschafterin.» In einem gedruckten Duboux von 1989 stand hier die «Hausdame» noch allein; heute findet sie eine ganze Schar von Helferinnen: «Hauswirtschafterin f / Hausdame f / Gouvernante f / Fachfrau f Hauswirtschaft».

Auch der Nebel über dem Kalb lichtet sich: «Escalope de ternera empanado» wird – auch auf dem Handy – schon mit der Eingabe «esc%ter%emp%» als «Wiener Schnitzel» identifiziert. Bei den «Bohrungen» allerdings versagt der Duboux den Dienst, denn er kennt die umgangssprachlichen «boquerones» der spanischen Menukarte (noch) nicht, sondern für Sardellen nur die kulinarische Bezeichnung «anchoas». Wie die spanischen Gastronomen auf «Bohrungen» (und «Versicherungen») gekommen sind, bleibt indessen rätselhaft.

Von Spanien nach Belgien, wo die «spanischen Nierchen» nebst anderen Organen Eingang in ein Traditionsgericht namens «choesels» gefunden haben. Es ist allerdings so selten geworden, dass man dem Duboux keinen Vorwurf dafür machen kann, dass er es (noch) nicht kennt. Dagegen liefert er gleich eine ganze Reihe von Bezeichnungen für Cichorium intybus var. foliosum: «Chicorée m / Brüsseler m / Brüsseler Chicorée / Brüsseler Endivie f / Treibzichorie f / Salatzichorie / Bleichzichorie». Und er weiss auch, dass die französische «endive» in Belgien «chicon» oder «witloof» heisst und auf Niederländisch «witlof» geschrieben wird. Jedoch fehlt beim gut dazu passenden Schinken, niederländisch «ham», noch das in Flandern gebräuchliche Synonym «hesp». Die Suche nach %hesp% führt immerhin zum Neohesperidin und damit zur Erkenntnis, dass auch die ominöse Liste mit E-Stoffen für den Duboux kein Geheimnis ist: «E 959: Neohesperidin n DC / Neohesperidin-Dihydrochalcon n / C28H36O15 (Süßstoff)

© Daniel Goldstein (sprachlust.ch)